Mikrobiom-Test
10. Dezember 2024Mikrobiom-Test
10. Dezember 2024Morbus Crohn: Vermeidung von Emulgatoren in der Nahrung kann Krankheitsschub stoppen
Nahrungsmitteln mit einem geringen Gehalt an Emulgatoren haben in einer randomisierten Studie die Darmentzündung eines Morbus Crohn innerhalb weniger Wochen signifikant gelindert. Die auf einer Tagung der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) in Berlin vorgestellten Ergebnisse bestätigen die Befunde aus tierexperimentellen Studien, in denen Emulgatoren die Darmschleimhaut geschädigt und chronische Entzündungen gefördert haben.
Emulgatoren ermöglichen die Vermischung von fettlöslichen und wasserlöslichen Substanzen. Sie werden wie Lecithin (E322) oder Pektin (E440) aus natürlichen Produkten gewonnen, oder wie Polysorbate (E432-436) chemisch hergestellt. In der EU sind derzeit etwa 60 Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungs- und Geliermittel zugelassen.
Laborstudien und Tierversuche haben gezeigt, dass die Emulgatoren im Darm die Schleimhautbarriere schwächen, woraufhin Darmbakterien in die Schleimhaut eindringen und eine chronische Entzündungsreaktion auslösen können. Epidemiologische Studien bringen den Verzehr von Emulgatoren in Nahrungsmitteln mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko in Verbindung. Es wird vermutet, dass der „westliche“ Ernährungsstil mit dem Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln für die Zunahme der Erkrankungen in den hochentwickelten Ländern zumindest mitverantwortlich ist.
Gastroenterologen aus 19 britischen Kliniken haben in einer randomisierten Studie untersucht, ob eine Vermeidung der Emulgatoren in den Nahrungsmitteln die Darmentzündung bei Patienten mit Morbus Crohn lindern kann. An der Studie nahmen an 19 Kliniken 154 Patienten mit einem CDAI-Wert („Crohn’s Disease Activity Index“) von 150 bis 250 Punkten teil, bei denen ein fäkales Calprotectin von mindestens 150 µg/g oder ein endoskopischer oder radiologischer Befund einen akuten Schub anzeigten.
Die Teilnehmer wurden auf 2 Gruppen randomisiert. Sie erhielten zu Beginn von einem Ernährungsberater Tipps zur Vermeidung von Nahrungsmitteln mit Emulgatoren, die in einer Smartphone-App aufgelistet waren. Über einen Zeitraum von 8 Wochen wurde ein Viertel der Nahrungsmittel gestellt, einschließlich Süßigkeiten. In der Interventionsgruppe waren die Nahrungsmittel frei von Emulgatoren, in der Kontrollgruppe enthielten sie Emulgatoren wie Carrageen, Carboxymethylcellulose und Polysorbat-80.
Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, bei denen es nach 8 Wochen zu einem Rückgang des CDAI-Scores um mindestens 70 Punkte gekommen war. Wie Kevin Whelan vom King’s College London berichtet, erreichten in der Interventionsgruppe 39 von 79 Patienten (49,4 %) dieses Ziel gegenüber 23 von 75 Patienten (30,7 %) in der Kontrollgruppe. In der „Intention to treat“ (ITT)-Analyse, die auch die Patienten einbezieht, die nicht zur abschließenden Untersuchung kamen, errechnet Whelan ein adjustiertes relatives Risiko (aRR) für einen Therapieerfolg von 3,1, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,5 bis 6,6 signifikant war. Auch in der „Per Protocol“ (PP)-Analyse, die auf Patienten beschränkt war, die bis zum Ende durchhielten, war das aRR mit 3,0 (1,2-7,6) signifikant.
Insgesamt 47 Teilnehmer der Intervention erreichten eine CDAI-Remission ihres Schubs gegenüber 35 Patienten in der Kontrollgruppe. Dies ergibt in der ITT-Analyse ein aRR für einen Therapieerfolg von 2,1 (1,0-4,4), das bei einem p-Wert von 0,042 knapp signifikant war. In der PP-Analyse war dies mit einem aRR von 1,7 (0,6-4,4) nicht der Fall.
Diese Diskrepanz bestand auch bei den Patienten, die eine Reduktion des fäkalen Calprotectin von über 50 % erreichten: In der Interventionsgruppe waren dies 16 und in der Kontrollgruppe 10 Patienten. Das aRR betrug in der ITT-Analyse 2,9 (1,1-8,0) und in der PP-Analyse 2,5 (0,9-7,2).
Die Unterschiede zwischen ITT- und PP-Analyse sind die Folge einer hohen Abbrecherquote. Insgesamt 41 Teilnehmer (15 in der Interventions- und 26 in der Kontrollgruppe) erschienen nicht zur Abschlussuntersuchung.
Die vom Science Media Center in London befragten Experten sehen hierin eine Hauptschwäche der Studie. Dominic Farsi vom „Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement“ (INRAE) in Paris ist insgesamt aber angetan von den Ergebnissen. Die Studie sei die erste ihrer Art und die Ergebnisse sehr positiv. Auch Kim Barrett von der Davis School of Medicine der Universität von Kalifornien ist beeindruckt.
Die Ergebnisse würden mit den Vorhersagen aus früheren Tierstudien übereinstimmen, und sie könnten den Patienten eine einfache und kostengünstige Möglichkeit bieten, ihre Symptome zu verringern. Alexandra Johnstone von der Universität Aberdeen denkt dagegen, dass es für die Betroffenen schwer werden dürfte, Nahrungsmittel ohne Emulgatoren zu finden, da diese in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten sei.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt Newsletter 12.3.2025.