Nicht nur Limonaden auch Saft steht im Verdacht, abhängig von der Zuckerdosis das Krebsrisiko zu erhöhen.
Paris – Erwachsene, die täglich Süßgetränke konsumieren, erkranken etwas häufiger an Krebs. Dies kam in der prospektiven NutriNet-Santé-Studie heraus, die seit 2009 mehr als 100.000 Erwachsene im Internet regelmäßig zu ihren Ernährungsgewohnheiten und ihrem Gesundheitszustand befragt. Die Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2019; 366: l2408) kann eine Kausalität nicht belegen. Es gibt aber Gründe, die einen Zusammenhang biologisch plausibel machen.
Der häufige Konsum zuckerhaltiger Getränke, zu denen neben Limonaden auch Fruchtsäfte gehören, gelten als eine Ursache der derzeitigen Adipositas-Epidemie. Mit der Zunahme des Körpergewichts verbunden ist ein erhöhtes Risiko, an einem Typ 2-Diabetes zu erkranken, dessen Prävalenz ebenfalls immer weiter ansteigt. Epidemiologische Studien haben auch ein erhöhtes Risiko auf eine arterielle Hypertonie und auf kardiometabolische Erkrankungen nachgewiesen.
Ein mögliches Krebsrisiko wurde bisher kaum untersucht, schreibt ein Team um Bernard Srour von der Sorbonne-Universität in Paris. Dabei gebe es biologisch plausible Gründe für ein erhöhtes Krebsrisiko durch Süßgetränke. Abgesehen von der Adipositas, die das Risiko auf 13 Krebsarten erhöht, könnte auch die durch die glykämische Last ausgelöste Hyperinsulinämie das Krebswachstum fördern.
Das im Karamell von Cola und anderen gefärbten Getränken enthaltene 4-Methylimidazol wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als möglicherweise krebserregend für den Menschen (Gruppe 2B) eingestuft. Auch die in Fruchtsäften nachweisbaren Spuren von Pestiziden oder Süßstoff wie Aspartam könnten die Entwicklung von Krebserkrankungen fördern.
Krebsrisikos steigt dosisabhängig an
Die französischen Epidemiologen haben die Daten der NutriNet-Santé-Studie ausgewertet. Dort haben 21.533 Männer und 79.724 Frauen im Verlauf im Mittel 5,6 Mal online einen Ernährungsfragebogen ausgefüllt. Die Teilnehmer werden auch regelmäßig zu ihren soziodemografischen Daten (Alter, Größe, Gewicht, Erziehung, Zahl der Kinder) und anderen Aspekten der Lebensführung (Rauchen, körperliche Aktivität) sowie nach Erkrankungen befragt.
Insgesamt 2.193 Teilnehmer im Alter von durchschnittlich 40 Jahren sind während der bisherigen Beobachtungszeit von im Mittel 5 Jahren an Krebs erkrankt. Darunter waren überdurchschnittlich häufig Teilnehmer mit einem erhöhten Konsum von Süßgetränken. Srour ermittelt einen dosisabhängigen Anstieg des Krebsrisikos um 18 % für jeden Anstieg des Konsums von Süßgetränken um 100 ml pro Tag. Die Hazard Ratio von 1,18 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,10 bis 1,27 statistisch hoch signifikant. Das Fünftel der Teilnehmer mit dem höchsten Konsum (mehr als 141 ml/Tag bei den Männern und mehr als 123 ml/Tag bei den Frauen) erkrankte sogar zu 30 % häufiger an Krebs.
Kein erhöhtes Risiko bei süßstoffhaltigen Getränken, außer für Brustkrebs
Das Krebsrisiko war sowohl für Limonaden (Hazard Ratio 1,19; 1,08 bis 1,27) als auch für reine Fruchtsäfte (Hazard Ratio 1,12; 1,03 bis 1,23) erhöht. Fruchtgetränke waren unter den Befragten mit einem Anteil von 43 % an allen Süßgetränken übrigens recht beliebt. Für mit Süßstoffen versehene Getränke (die meist als kalorienfreie Diätgetränke angeboten werden) wurde kein erhöhtes Risiko gefunden (Hazard Ratio 1,02; 0,94 bis 1,10). Unter den 3 häufigsten Krebserkrankungen war nur für den Brustkrebs ein signifikant erhöhtes Risiko nachweisbar, und mit einer Hazard Ratio von 1,26 (1,04 bis 1,51) war es bei prämenopausalen Frauen am stärksten ausgeprägt. Für Darm- und Prostatakrebs waren die Assoziationen nicht eindeutig.
Wie immer in epidemiologischen Studien bleibt es möglich, dass das Risiko nicht auf die Süßgetränke zurückzuführen ist, sondern auf andere Eigenschaften von Menschen, die gerne und häufig zu Süßgetränken greifen. Da die Teilnehmer jedoch ausführlich zu ihren Lebensgewohnheiten befragt wurden, ist die Gefahr relativ gering, dass andere Risiken übersehen wurden.
Auch schlanke Menschen sind betroffen
Die Adipositas als Erklärung scheidet übrigens aus. Das Risiko war unabhängig vom Body-Mass-Index erhöht. Auch Menschen, die trotz des regelmäßigen Konsums von Süßgetränken schlank bleiben, wären deshalb gefährdet.
Der Verzicht auf Süßgetränke einschließlich Fruchtsäften könnte nach den Ergebnissen der Studie das Krebsrisiko senken. Der Vorteil für den Einzelnen wäre vermutlich gering. Die Inzidenz von Krebserkrankungen lag in der Studie bei 22 auf 1.000 Teilnehmer in 5 Jahren. Die Zunahme des täglichen Konsums von Süßgetränken um 100 ml würde zu 4 zusätzlichen Krebserkrankungen auf 1.000 Personen in 5 Jahren führen.
Der „Public Health“-Effekt wäre dennoch beträchtlich, da Süßgetränke in der Bevölkerung sehr beliebt und Krebserkrankungen häufig sind. Die Autoren haben hierzu allerdings keine Berechnungen angestellt.
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