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Studie: Sorgfältige Koloskopie kann länger als 10 Jahre vor Darmkrebs schützen

Warschau −Ein negativer Befund in einer Koloskopie könnte nach den Erfahrungen der polnischen Darmkrebsvorsorge in den Annals of Internal Medicine (2020; DOI: 10.7326/M19-2477) auch über das empfohlene 10-Jahres-Intervall hinaus mit einem verminderten Erkrankungs- und Sterberisiko verbunden sein – vorausgesetzt, die Untersuchung wurde sorgfältig genug durchgeführt.

Polen hat bereits im Jahr 2000 ein nationales Programm zur Darmkrebsvorsorge mittels Vorsorgekoloskopie begonnen. In den ersten Jahren wurde die Untersuchung nur einmalig ohne die heute übliche Wiederholung nach 10 Jahren durchgeführt. Nastazja Pilonis vom Nationalen Institut für Onkologie in Warschau und Mitarbeiter haben jetzt untersucht, ob es nach der 10-Jahresfrist vermehrt zu Darmkrebserkrankungen und Todesfällen gekommen ist. Dabei legten sie ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Koloskopie.

In einer früheren Untersuchung hatten die Warschauer Forscher herausgefunden, dass der Anteil der früheren Koloskopien, in denen der Arzt Adenome entdeckt und entfernt hatte, ein wichtiger Qualitätsmarker ist (NEJM 2010; 362: 1795-1803). In der aktuellen Studie wurde eine Adenomdetektionsrate von mindestens 20 % (das ist das Anteil der Untersuchungen, bei denen mindestens ein Adenom entdeckt wurde) als Ausweis für eine qualitativ hochwertige Koloskopie gewertet. Weitere Kriterien waren das Erreichen des Blinddarms mit dem Endoskop und eine angemessene Darmvorbereitung.

Alle 3 Kriterien waren in der Frühphase des polnischen Darmkrebsscreenings nur bei 1/3 der Koloskopien erfüllt. Der häufigste Grund für eine geringe Qualität der Darmspie­gelung war eine niedrige Adenomdetektionsrate.

Von den 165.887 Teilnehmern des Screeningprogramms (ohne Vorerkrankungen in der Familie und mit ausreichender Dokumentation) sind nach bis zu 17,4 Jahren 489 Personen an Darmkrebs erkrankt und 169 daran gestorben. Von den 489 Erkrankungen entfielen 410 auf Personen, deren Koloskopie vermutlich Qualitätsmängel aufwies. Von diesen starben 143 am Darmkrebs. Nach den qualitativ hochwertigen Koloskopien waren nur 79 Teilnehmer an Darmkrebs erkrankt und 26 daran gestorben.

Pilonis ermittelt für Teilnehmer nach qualitativ hochwertiger Koloskopie für den gesamten Zeitraum eine standardisierte Inzidenzrate (SIR) von 0,16 (95-%-Konfidenz­intervall 0,13 bis 0,20). Dies bedeutet, dass die Teilnehmer in den Folgejahren zu 84 % seltener an Darmkrebs erkrankten als die Allgemeinbevölkerung. Für die Teilnehmer mit qualitativ geringer eingestufter Koloskopie betrug die SIR 0,32 (0,29 bis 0,35). Die Erkrankungswahr­schein­lichkeit war „nur“ zu 68 % niedriger als in der Allgemein­bevölkerung. Eine Koloskopie war demnach bei geringer Qualität nur halb so effektiv (SIR 0,32 versus 0,16).

Interessant ist, dass die SIR nach einer Koloskopie mit geringer Qualität mit der Zeit anstieg von 0,28 in den ersten 5 Jahren auf 0,34 im Zeitraum nach mehr als 10 Jahren. Eine frühzeitige Wiederholung der Koloskopie könnte hier demnach weitere Krebser­krank­ungen verhindern. Nach einer qualitativ hochwertigen Koloskopie stieg die SIR dagegen nicht an. Hier könnte das Intervall von 10 Jahren eventuell verlängert werden, meint Pilonis.

Die Forscher haben auch die Auswirkungen auf die Darmkrebssterblichkeit untersucht. Auch hier stieg die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) nach einer qualitativ geringwer­tigen Koloskopie von 0,13 in den ersten 5 Jahren auf 0,28 nach 10 Jahren an. Nach einer qualitativ hochwertigen Koloskopie gab es ebenfalls einen leichten Anstieg von 0,07 auf 0,19.

Der Vorteil einer qualitativ hochwertigen Koloskopie könnte durch die vermehrte Entdeckung und Entfernung von Adenomen im proximalen Kolon zustande kommen, also in dem Abschnitt des Kolons, der mit dem Endoskop am schwierigsten zu erreichen ist. Hier war die SIR nach einer hochwertigen Koloskopie deutlich niedriger als nach der geringwertigen Koloskopie (0,27 versus 0,55).

Bei der SMR war der Unterschied noch größer (0,50 versus 0,92). Die SMR von 0,92 verfehlte mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,67 bis 1,18 das Signifikanzniveau. Eine geringwertige Koloskopie könnte sich demnach in diesem Darmabschnitt als nutzlos erwiesen haben.

Zu den Einschränkungen der Studie gehört, dass sie retrospektiv die Daten von Krebs- und Sterberegistern ausgewertet hat. Dies ist weit von der Evidenz entfernt, die durch randomisierte kontrollierte Studien erzielt wird. Eine Lockerung des 10-Jahres-Intervalls ist deshalb nicht zu erwarten. Die Studie zeigt allerdings erneut, das die Sorgfalt der Koloskopie einen deutlichen Einfluss auf die Ergebnisse haben kann.

© rme/aerzteblatt.de