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Darmkrebs: Vorsorgekoloskopie im Zehn-Jah­res-Intervall ausreichend, wenn die Qualität stimmt

Leeds und Heidelberg – Eine Vorsorgekoloskopie kann durch die Entfernung verdächtiger Adenome über viele Jahre vor Darmkrebs schützen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Darmspiegelung gelingt. Erfahrungen aus England, die jetzt im britischen Ärzteblatt (BMJ 2019; 367: l6090) vorgestellt werden, deuten auf erhebliche Qualitätsunterschiede zwi­schen den einzelnen Zentren hin. Nach einer Meta-Analyse des Deutschen Krebsfor­schungszentrums (BMJ 2019; 367: l6109) ist das empfohlene 10-Jahres-Intervall jedoch in der Regel ausreichend.

Die Koloskopie ist die effektivste Untersuchung zur Früherkennung und (durch Entfer­nung atypischer Adenome auch) zur Vorsorge von kolorektalen Karzinomen. Sie ist aller­dings nicht perfekt. Adenome und selbst Karzinome können übersehen werden, wenn die Patienten die Darmreinigung nicht sorgfältig genug durchführen oder wenn der Arzt bei der Inspektion der Darmschleimhaut unachtsam ist.

Ein Qualitätsmarker ist der Anteil der Darmkrebserkrankungen, die nicht bei einer Kolos­kopie, sondern erst in den 3 Jahren danach entdeckt werden. Diese Rate wird auch als PCCRC-3y („post-colonoscopy colorectal cancer“) bezeichnet. Forscher der Universität Leeds haben die PCCRC-3y für die 135 bis 140 Zentren berechnet, die in England Vorsor­gekolos­kopien durchführen. Das Screening wird in England allen Einwohnern ab dem Al­ter von 60 Jahren angeboten.

Anders als in Deutschland, wo das Screening von Fachärzten durchgeführt wird, gibt es in England spezielle Zentren für die Vorsorgekoloskopien. Dies hat möglicherweise dazu beigetragen, dass die PCCRC-3y in England im internationalen Vergleich sehr niedrig ist.

Dass Erfahrung mit der Untersuchung von Bedeutung ist, zeigt sich daran, dass die PCCRC-3y im Zeitraum von 2005 bis 2013, den Nick Burr von der Universität Leeds und Mitarbeiter ausgewertet haben, stetig gesunken ist – von anfangs 9,0 % (2005) auf 6,5 % (2013). Doch es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren. In den besten Zentren (oberste 5 %) lag die PCCRC-3y bei 4 % in den schlechtesten (unterste 5 %) dagegen bei 10,4 %.

Die Ursachen für die Unterschiede kann die Studie nicht klären. Die geringen Kapazitäten des National Health Service (NHS) könnten jedoch eine Rolle spielen. Da die NHS-Zentren den Bedarf nicht mehr decken können, sind private Zentren eingesprungen. Dort gibt es offenbar (noch?) häufig ein Qualitätsproblem. Denn während die PCCRC-3y in den NHS-Zentren 3,6 % betrug, lag sie bei den Nicht-NHS-Anbietern bei 9,3 %.

Die PCCRC-3y wird laut den Ergebnissen der Studie auch von Patienteneigenschaften be­einflusst. Bei Frauen, bei über 80-Jährigen, vor allem aber bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darm­er­krank­ungen, war die Rate erhöht. Patienten mit chronisch entzünd­lichen Darm­er­krank­ungen wird wegen des erhöhten Risikos heute geraten, die Vorsorge­koloskopie in kürzeren Intervallen zu wiederholen.

Bei den meisten übrigen Erwachsenen ist das 10-Jahres-Intervall ausreichend, wie es international von den meisten Fachgesellschaften empfohlen wird. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Hei­delberg. Es hat die Ergebnisse aus 28 Einzelstudien zusammengefasst, die ein Auftre­ten von Läsionen ein bis 5 Jahre (17 Studien), 5 bis 10 Jahre (16 Studien) sowie 10 und mehr Jahre (3 Studien) nach der Erstkoloskopie ermittelt hatten.

Die Analyse ergab, dass es 1 bis 5 Jahre nach der Erstkoloskopie bei 20,7 % der Unter­suchten erneut zu Adenomen oder anderen Läsionen kam. Waren 5 bis 10 Jahre seit der Erstuntersuchung vergangen, lag die Entdeckungsrate bei 23 %.

Die vergleichsweise hohe Rate kleinerer Läsionen, die nur wenige Jahre nach der ersten Koloskopie gefunden wurden, lässt sich laut Brenner großenteils dadurch erklären, dass bei der Erstuntersuchung noch sehr kleine Veränderungen übersehen wurden. Deshalb sei die Rate in den folgenden Jahren nicht weiter angestiegen.

Fortgeschrittene Läsionen, die eine sofortige Intervention erfordert hätten, traten in den Jahren 1 bis 5 bei 3,2 % und in den Jahren 5 bis 10 bei 7 % der koloskopierten Personen auf. Zu diesen fortgeschrittenen Läsionen gehörten Adenome von einer Größe von mehr als 9 mm sowie solche mit einer villösen oder tubulovillösen Histologie oder einer hoch­gradigen Dysplasie, aus denen sich jederzeit ein Darmkrebs entwickeln könnte.

Die Häufigkeit der fortgeschrittenen Läsionen ist nach Einschätzung von Brenner zu ge­ring, um allen Personen zu kürzeren Intervallen zu raten. Sie zeige aber, dass es einzelne Personen mit einem erhöhten Risiko gebe, etwa durch eine familiäre Häufung. Diesen sollte deshalb zu einer früheren Folgeuntersuchung geraten werden.

Ob Erwachsene ohne besondere Risiken die zweite Darmspiegelung noch weiter als 10 Jahre hinausschieben könnten, ist unklar. Die Datenlage ist laut Brenner noch zu „dünn“. Zu Untersuchungsintervallen von mehr als 10 Jahren seien bisher nur Studien durchge­führt worden, aus deren Ergebnissen sich keine Empfehlungen ableiten ließen.

© rme/aerzteblatt.de