Bei übergewichtigen und adipösen Personen ist das Mikrobiom anders zusammengesetzt als bei normalgewichtigen. Viele Menschen versuchen im Laufe ihres Lebens, durch eine Diät Gewicht zu verlieren. Die Wissenschaftler interessierte, was eine solch deutliche Umstellung der Ernährung im Darm bewirkt.
Die Auswirkungen einer Diät untersuchte das Team bei 80 älteren Frauen mit leichtem bis starkem Übergewicht, die entweder durch eine sogenannte Formuladiät – mithilfe von Fertiggetränken mit weniger als 800 Kilokalorien pro Tag – unter ärztlicher Aufsicht abnahmen oder ihr Gewicht über den Zeitraum von 16 Wochen konstant hielten. Begleitet wurden die Probandinnen am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC).
Eine regelmäßige Analyse des Stuhls zeigte, dass die Diät die Anzahl der Mikroorganismen im Darm der Frauen senkte und die Zusammensetzung der Darmflora veränderte. „Wir konnten beobachten, wie die Bakterien ihren Stoffwechsel umstellen, um vermehrt Zuckerverbindungen aufzunehmen, die dem Menschen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Man kann sagen, es entwickelt sich ein hungriges Mikrobiom“, erläuterte der Erstautor Reiner Jumpertz von Schwartzenberg.
Bei einer genaueren Analyse der Stuhlzusammensetzung fiel ihnen vor allem eine verstärkte Besiedelung mit dem Bakterium Clostridioides difficile (C. difficile) auf.
Anschließend übertrugen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Stuhlproben, die sie vor und nach der Diät gesammelt hatten, auf Mäuse, die keimfrei gehalten wurden und dadurch keine eigene Darmflora hatten.
Tiere, die den nach der Diät entnommenen Stuhl erhielten, verloren Gewicht – und zwar mehr als 10 % ihrer Körpermasse innerhalb von nur 2 Tagen. Eine solche Stuhltransplantation vor der Diät blieb ohne Effekt.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich dieses Phänomen vor allem durch eine Veränderung der Nahrungsabsorption im Darm der Tiere erklären lässt“, erläutert Joachim Spranger, Direktor der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité, einer der leitenden Autoren der Studie. Dies unterstreiche, dass Darmbakterien die Aufnahme der Nahrung maßgeblich beeinflussten.
„Eine stark kalorienreduzierte Diät sorgt also dafür, dass ein als Krankenhauskeim bekanntes Bakterium sich leichter vermehren kann und die Aufnahme der Nahrung über die Darmwand weniger effizient macht – ohne aber Krankheitssymptome zu verursachen“, fasste er zusammen.
Unklar sei bisher, inwiefern eine solche asymptomatische Besiedelung mit C. difficile die Gesundheit beinträchtigen oder möglicherweise sogar fördern könne, wenn das Bakterium sich nicht zu stark ausbreite. „Das muss nun in größeren Studien untersucht werden“, hieß es aus der Arbeitsgruppe.
© hil/aerzteblatt.de