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Vorsorgeunter­suchungen senken Darmkrebsrate in Europa

In Ländern ohne Darmkrebsvorsorge steigen die Erkrankungszahlen, in Ländern, die eine Früherkennung anbieten, sinken die Zahlen um so stärker, je mehr Menschen die Angebote annehmen.

Der Anstieg der Darmkrebserkrankungen, der weltweit zu beobachten ist, kann durch eine Darmkrebsvorsorge gestoppt und vielleicht sogar umgekehrt werden. Dies zeigt ein europaweiter Vergleich, der jetzt in Lancet Oncology (2021; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00199-6) veröffentlicht wurde.

In den letzten beiden Jahrzehnten haben zahlreiche europäische Länder Screening-Programme zur Darmkrebsvorsorge eingeführt, die sich größtenteils an Menschen zwischen 50 und 74 Jahren richten. Die Angebote unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. In einigen Ländern wird nur ein Stuhltest angeboten, in anderen werden die Menschen zu einer Darmspiegelung aufgefordert. In einigen Ländern erhalten die Berechtigten Einladungen, in anderen müssen sie sich selbst um einen Untersuchungs­termin bemühen.

Ein Team um Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat unter­sucht, ob sich die Unterschiede in den einzelnen Ländern auf die Erkrankungsrate am Darmkrebs aus­wirken. Grundlage waren die von der Welt­gesund­heits­organi­sation (WHO) in der „WHO Mortality Database“ gesammelten Daten zu Erkrankungen und Todesursachen.

Auffällig war, dass es in allen Ländern, die bereits frühzeitig ein Vorsorgeprogramm mit Stuhltests und Darmspiegelung eingeführt hatten, dazu gehören etwa Deutschland, Österreich oder Tschechien, zu einem deutlichen Rückgang der altersstandardisierten Darmkrebsinzidenz gekommen ist: Bei Männern sanken die Erkrankungszahlen um 1,6 bis 2,5 %-punkte pro Jahr bei Frauen kam es zu einem Rückgang um 1,3 bis 2,4 %-punkte. Dieser Rückgang der Inzidenz wurde vor allem in den Altersgruppen registriert, denen die Darmkrebsvorsorge angeboten wurde.

In einigen Ländern war während des Untersuchungszeitraums ein einladungsbasiertes Vorsorgepro­gramm mit immunologischen Stuhltests eingeführt worden, das hohe Teilnahmeraten erzielte. Dies war etwa in Belgien, Dänemark oder den Niederlanden der Fall. Hier kam es in den ersten Jahren zu einem Anstieg der Karzinome, die im Stadium I entdeckt wurden. In den Folgejahren ging die Zahl dann zurück. Prof. Brenner vermutet, dass zu Beginn des Screenings bereits bestehende, aber klinisch noch nicht diagnostizierte Karzinome früher erkannt wurden, was die Heilungschancen erheblich verbessert haben könnte.

In Ländern, die keine bevölkerungsweiten Programme zur Darmkrebsvorsorge anbieten, wie etwa Bul­garien, Estland und Norwegen stieg die Zahl der Darmkrebserkrankungen. Prof. Brenner ermittelt eine Zunahme der Inzidenz um bis zu 1,9 %-punkte pro Jahr bei Männern und um bis zu 1,1 %-punkte bei Frauen.

Der Rückgang der Inzidenz fiel für Tumore im unteren Bereich des Dickdarms insgesamt deutlicher aus. Die wahrscheinliche Ursache ist laut Prof. Brenner, dass Krebsvorstufen im oberen Bereich des Dick­darms sowohl mit dem Stuhltest als auch bei der Darmspiegelung schlechter zu erkennen sind. Außer­dem hätten sie häufiger ungünstige biologische Eigenschaften, die zur Entwicklung von bösartigen Tumoren führen.

Auch die Darmkrebssterblichkeit sank am deutlichsten in Ländern, die bereits frühzeitig Screeningpro­gramme eingeführt hatten. In Österreich kam es zu einem Rückgang um 3,2 %-punkte pro Jahr bei Männern und um 3,5 %-punkte bei Frauen. Tschechien verzeichnete einen Rückgang um 3,8 % bei Männern und 3,9 % bei Frauen. In Deutschland ging die Zahl der Krebstodesfälle pro Jahr um 2,6 % bei Männern und 3,1 % bei Frauen zurück.

In Ländern, die kein Screening anbieten, ging die Darmkrebssterblichkeit zwar auch geringfügig zurück. Brenner erklärt das mit Fortschritten in der Diagnose und Behandlung der Erkrankung. Insgesamt gelte jedoch: Je höher die Teilnahmeraten an den Screeningprogrammen sind, desto deutlicher sinken Inzidenz und Sterblichkeit.

Deutschland verfügt nach Einschätzung des Epidemiologen über hervorragende Vorsorgeangebote, die jedoch zu selten angenommen würden. Das Ziel sollte eine Halbierung der Erkrankungs- und Sterbefälle innerhalb der nächsten 10 Jahre sein. Brenner plädiert für ein Einladungsverfahren. Die Erfahrung aus den anderen Ländern hätten gezeigt, dass sich dadurch die Akzeptanz des Screenings steigern lasse.

© rme/aerzteblatt.de